Es war ein Moment, den Jens Singh in Erinnerung behalten wird: Team Special Olympics Deutschland 2 gegen SO Brasilien. 2:3 steht es im 3×3 Basketball im Männer/Mixed Unified-Wettbewerb. Die letzten Sekunden laufen. Singh bekommt den Ball jenseits der Drei-Punkte-Linie, die hier eine Zwei-Punkte-Zone ist. Er schaut. Noch zwei Sekunden. Singh wirft – und trifft. „Buzzer beater“ zum 4:3. 250 Zuschauer sind aus dem Häuschen, die deutschen Spieler feiern mit LaOla, die Stimmung elektrisiert.

Mittendrin Matchwinner Singh. „Das werde ich nie vergessen“, sagt der 35-Jährige. Für die zweite deutsche Mannschaft bedeutet der Last-Second-Sieg die Einstufung in eine stärkere Gruppe. Die Medaillenchancen am Finalwochenende verbessert das nicht unbedingt. „Wir nehmen die Gegner so, wie sie kommen“, sagt Trainer Jens Meyer. Der 56-Jährige und seine Mannschaft kommen aus dem schleswig-holsteinischen Flintbek. Meyer ist Lehrer im „Eiderheim“, wo auch die Spieler mit geistigen Beeinträchtigungen aus seiner Mannschaft arbeiten.

Meyer betritt mit seinem Team bei den Special Olympics World Games Neuland. 3×3 Basketball wird zum ersten Mal ausgetragen. Schon jetzt ist es eines der Highlights in Berlin. Der Court wurde in der Innenstadt vor dem Roten Rathaus aufgebaut. Tausende Besucher strömen täglich über die Anlage. Die beiden Tribünen sind immer gefüllt. Davor stehen schon am Vormittag Zuschauer Schlange, um die Spiele live zu erleben.

Foto: Tilo Wiedensohler/camera4

Volunteers stehen beim Einlaufen der Mannschaften Spalier. Musik untermalt die Spiele die ganze Zeit, immer nur kurz unterbrochen von den Ansagen des Kommentators, der die Zuschauer wie beim Hallen-Basketball über Schiedsrichterentscheidungen oder Spielstand informiert. 3×3 Basketball ist „in“. „Die Zuschauer feiern total ab“, sagt Meyer. „Das ist ein einziges Fest. Die Energie, die hier herrscht, fasziniert alle: Spieler, Trainer, Schiedsrichter, Zuschauer.“ Für NBA-Legende Dirk Nowitzki kein Wunder: „Das ist eine tolle Sportart mit großer Zukunft. Es ist ein bisschen anders als fünf gegen fünf. Es geht natürlich viel schneller hin und her. Du musst nicht das Parkett hoch und runter laufen, sondern es passiert alles unter einem Korb. Das heißt, wenn du den Ball verlierst, musst du sofort umschalten, musst in die Verteidigung. Da ist ständig Action.“ 3×3 Basketball ist für Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen von Vorteil. Da die Mannschaften kleiner sind als in der Halle, werden schneller Teams geformt.

Die Faszination des 3×3 Basketball erleben die Zuschauer am Roten Rathaus hautnah. Das Tempo ist hoch, kein Zentimeter an Boden wird verloren gegeben. Ständig fliegt der Ball Richtung Korb. „Da geht es ordentlich zur Sache“, sagt Meyer. „Aber die Athleten sind mit viel Ehrgeiz dabei. Sie genießen die Stimmung.“ Die Premiere lässt keine Fragen offen: 3×3 wird in Zukunft fester Bestandteil bei Special Olympics sein.

Text: Michael Schwartz
Foto oben/unten: Special Olympics World Games Berlin 2023 / Tilo Wiedensohler