Beim Betreten der Sporthalle am FKG war die Erinnerung an die letzte Saison sofort da. In einem an Dramatik nicht zu überbietenden Spiel lag Göttingen gut 39 Minuten in Führung, musste in der letzten Minute den Ausgleich und der letzten Sekunde durch einen spektakulären Dreier von Vanessa Herrmann die Niederlage hinnehmen. Klar wurde darüber richtig geflachst. Man könne ja gleich die letzten fümf Minuten spielen oder so ähnlich. Wie nahe man an der Dramaturgie des Tages war, konnte da noch keiner wirklich wissen. Zuerst einmal waren die Voraussetzungen für die Hallenserinnen gut. Der Sieg von Chemnitz gegen die Veilchen Girls aus der Vorwoche hatte deren Chancen auf die Playoffs auf ein rein mathematisches Level sinken lassen. Voraussetzung wäre da aber ein Sieg gegen Halle mit mehr als 22 Punkten Differenz. Darauf waren die Göttingerinnen, dass zeigte der spätere Spielverlauf, durchaus eingestellt. Aber auch Sandra Rosanke hatte gefordert die Playoffs aus eigener Kraft, heißt mit einem Sieg, zu erreichen und nicht nur auf die sächsische Schützenhilfe zu vertrauen.

Das erste Viertel begann so recht nervös auf einem Low-Score-Level (7:11). Dann flatterten die halleschen Nerven doch und die Göttinger Führung wuchs über ein 22:11-Vierteleregebnis zunehmend an. Als im dritten Viertel noch etwas mehr als drei Minuten zu spielen waren auf 15 Punkte (43:28). Die Zahl 22 spielte da plötzlich im halleschen Begleittross eine große Rolle. Dann rochen die JUNIOR-LIONS die Gefahr, besannen sich auf ihr Team-Play und konnten auch das dritte Viertel mit 15:14 knapp gewinnen. Sophie Herrmanns Dreier mit der Schlusssirene war dann das Signal für die Aufholjagd im letzten Spielabschnitt. Als noch vier Minuten auf der Spieluhr standen, fällt der Ausgleich (47:47). Eigentlich sagt man ja Geschichte wiederholt sich nicht. Vielleicht nicht ganz deckungsgleich, aber in den Grundzügen wohl schon. Das Spiel wogte hin und her und die Treffsicherheit beider Teams hatte in den zurückliegenden Minuten schon gelitten. Es sind noch 44 Sekunden zu spielen und Lena Dziuba, das Küken auf dem Spielfeld (natürlich nicht körperlich aber mit Jahrgang 2003 altersmäßig) wird gefoult und muss zweimal an die Linie. Was ging ihr da wohl durch den Kopf. Es war nicht ihre Saison. Verletzungen und Krankheiten warfen sie immer wieder zurück und die erhoffte Qualifikation für die U16-Nationalmannschaft blieb so auch nur Wunschtraum. In diesem Spiel sollte sie am Ende eine respektable Einsatzzeit von 14:32 Minuten haben und elf Punkte erzielen.

Das zählte aber jetzt alles nicht – sie verwirft zweimal. Aufgeben galt nicht und am gegnerischen Ballverlust im Gegenzug war Lena schon wieder tatkräftig beteiligt. Jetzt übernimmt die Kapitänin Leonie Wackermann den Ball. 38 Minuten war sie der Motor des halleschen Spiels und vor Verantwortung hat sie sich noch nie gescheut. Der Wurf landet am Ring und genau da kommt die große Sekunde einer Spielerin, die kaum durch hohe Quoten oder traumhafte Statistiken auffällt. Als ehemalige Schwimmerin spät zum Basketball gekommen musste sich Lina Heinicke ( Foto von C. Stolze aus dem Hinspiel) alles über Fleiß erarbeiten. Sie ist in vielen Spielen die Kämpferin und rackert unspektakulär im Hintergrund. Jetzt aber machte sie alles richtig. Sie taxiert den Abpraller genau, springt im richtigen Moment, holt sich den so wichtigen Rebound und legt den Ball absolut sicher in den Korb.

Die Schlusssirene in Göttingen signalisiert, dass man in der WNBL als Vereinsmannschaft ohne ein ganzes Territorium im Rücken, ohne überragende Einzelspielerinnen und ohne Jugend-Nationalspielerinnen wohl nicht Deutscher Meister werden, aber als starkes Team durchaus bestehen kann.

Für Halle im Einsatz: Wackermann (5), Friedenberger, Müller (2), S. Herrmann (3), Heinicke (4), Kreuter (14), Albrecht (6), V. Herrmann (4), Oswald, Fox, Dziuba (11)
Charlotte Kreuter ist jetzt mit 107 Punkten (Durchschnitt pro Spiel 13,4) auf dem 3. Platz der Scorerliste der Nord-Ost-Staffel.

(Bericht SV Halle Junior Lions, Günter Hebner)