In Berlin bewegt sich die 20. Legislaturperiode auf ihre Halbzeit zu. Teamsport Deutschland – die Interessengemeinschaft der fünf größten deutschen (Profi)Mannschaftssportverbände – möchte diese Chance nutzen, um sowohl die Gesichter hinter dem Verbund als auch seine Kernpositionen und –
themen vorzustellen. In einer aktuell laufenden Interviewreihe freuen wir uns, einzelne Verbandspräsidenten als Gäste genau hierfür begrüßen zu dürfen. Eine spannende Reihe an Momentaufnahmen, die tiefe Einblicke verspricht, wo der deutsche Mannschaftssport gemeinschaftlich Handlungsbedarfe sieht und wie sich eine Praxis gestaltet, in der Basketball, Eishockey, Fußball, Handball und der Volleyball gemeinsam an einem politischen Strang ziehen.

In der dritten Ausgabe begrüßen wir Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball Bundes, mit dem wir heute über die Rolle von Sportgroßveranstaltungen sowie die Förderung des deutschen Leistungssportes sprechen werden.

Herr Weiss, zunächst möchten wir die Chance nochmals nutzen und Ihnen im Namen von Teamsport Deutschland herzlich zum sensationellen Weltmeistertitel mit den deutschen Basketballern gratulieren! Wie bewerten Sie den Stellenwert von Sportgroßveranstaltungen wie einer Weltmeisterschaft und deren Austragung für einen Sportverband wie den DBB?

Besten Dank für die Glückwünsche! Ich bin sehr stolz auf die grandiose Mannschaftsleistung unserer Jungs und freue mich über alle Maße, dass sie sich für ihren kontinuierlichen Einsatz und Teamgeist mit dem Weltmeistertitel belohnt haben. Die Basketball-Weltmeisterschaft in Asien und die bemerkenswerte Resonanz um das Turnier haben eines erneut bewiesen: Internationale Sportgroßveranstaltungen wie Europa- und Weltmeisterschaften, haben einen enormen Stellenwert in unserer Gesellschaft – insbesondere im Mannschaftssport: Wir erreichen Millionen von Menschen, vermitteln Gastfreundschaft der austragenden Nationen, tragen zur Völkerverständigung bei und fördern das friedliche Miteinander und den sozialen Zusammenhalt. Und was die Leistung unserer Basketballer in Deutschland ausgelöst hat, konnten wir beim Empfang der Mannschaft in Frankfurt sehen, wo tausende Fans – von jung bis alt – ihren WM-Helden entgegenjubelten und ich bin mir sicher, dass die deutschen Basketballvereine infolge dieses Erfolges eine Vielzahl an Neuanmeldungen
verzeichnen werden. Ein Beispiel dafür, wie der Spitzensport und die dazugehörigen Großveranstaltungen zur Intensivierung des Breitensports beitragen.
Eine Besonderheit sind hierbei natürlich die Turniere, die man im eigenen Land austrägt und spielt.

Neben der Begeisterung, die sie bei den Menschen vor Ort auslösen, wirken sie gleichzeitig imagebildend für das Gastgeberland sowie die Gastgeberstadt. Hier ist es sehr schön zu sehen, wie es den fünf Teamsport Deutschland-Verbänden aktuell gelingt, ein sportliches Großevent in Deutschland Initiative deutscher Mannschaftssportverbände an das nächste zu reihen. Daher freue ich mich schon jetzt auf die Vielzahl an internationalen Turnieren, die bereits ihre Schatten – auf deutschem Boden – vorauswerfen. Am meisten natürlich – meine Teamsport Deutschland-Kollegen werden es mir verzeihen – auf die Basketball-Weltmeisterschaft der Frauen 2026 in Deutschland.

Wo sehen Sie – ggf. mit Blick auf ihren eigenen Verband – konkrete Handlungsbedarfe, die jetzt angegangen werde müssen, um Deutschland zu einem attraktiven Austragungsort für Sportgroßveranstaltungen zu machen und welche Rolle nehmen Sie mit Teamsport Deutschland dabei ein?

Die Verbände von Teamsport Deutschland haben sich zuletzt intensiv in die Erarbeitung der „Nationalen Strategie für (internationale)  Sportgroßveranstaltungen“ eingebracht. Die Ergebnisse sollten gewürdigt und von der Bundesregierung gemeinsam mit den Mannschaftssportverbänden umgesetzt und weiterentwickelt werden. Ich habe die gewichtige Rolle von internationalen Sportgroßveranstaltungen sowie deren Austragung für sowohl das Austragungsland als auch die Verbände bereits angesprochen. Gleichzeitig wird der internationale Konkurrenzkampf im Rahmen der Vergabe solcher Events immer größer und neue Mitbewerberstaaten mit immensen finanziellen Möglichkeiten treten auf die Matte. Hier muss sichergestellt werden, dass Deutschland als Austragungsort nach wie vor attraktiv bleibt – dies kann mitunter nur durch eine entsprechende Förderung durch den Bund garantiert werden. Ebenfalls muss sichergestellt sein, dass wichtige Sportgroßveranstaltungen wie die jüngste Basketball-WM vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk übertragen und somit der breiten Bevölkerung zugänglich gemacht wird. Dies trägt auch dazu bei, eine Begeisterung und breite Akzeptanz für Sportveranstaltungen in Deutschland, wie z.B. auch Olympische Spiele zu schaffen. Am Beispiel unserer Basketball-WM erfolgte eine Übertragung in den Öffentlich-Rechtlichen leider erst zum Finale, ungeachtet der beeindruckenden Mannschaftsleistungen unseres Teams – sowohl in der Gruppenphase als auch in den Spielen der Hauptrunde.

 

DBB-Präsident Ingo Weiss gratuliert Dirk Nowitzki im Rahmen von Nowitzkis Trikotzeremonie bei der EuroBasket 2022 in Köln.

Maßgeblich für das Abschneiden deutscher Mannschaften in den angesprochenen Sportgroßveranstaltungen ist ebenfalls die Förderung des deutschen Leistungssports. Wie bewerten Sie die aktuelle Verfassung, in welcher sich der deutsche Leistungssport befindet, sowie aktuelle Reformbemühungen der Bundesregierung?

Die Förderung des Leistungssports ist grundsätzlich eine elementare Aufgabe einer Bundesregierung. Ihr Ziel muss es sein, angemessene Rahmenbedingungen als Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit sowie den Erfolg der deutschen Sportlerinnen und Sportlern zu schaffen. Dabei muss mitbedacht werden, dass unsere Mannschaften bei internationalen Wettkämpfen nicht nur Deutschland vertreten, sie sind gleichzeitig Vorbilder für viele Kinder- und Jugendliche, die ihnen in den örtlichen Sportvereinen nacheifern. So tragen die deutschen Teams aktiv zur Weiterentwicklung der einzelnen Sportarten bei. Hier gibt es allerdings viel zu tun. Mit Teamsport Deutschland unterstützen wir den Ansatz der Bundesregierung zu einer Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung, erwarten aber, dass diese den Spezifika des Mannschaftssports Rechnung tragen. Dabei kommt dem
„Potenzial-Analyse-System (PotAS)“ aktuell eine schwerwiegende Rolle zu. PotAS unternimmt den Versuch, zukünftige sportliche Spitzenleistungen, die an sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft sind, zu prognostizieren. Diese Prognose wird in der Folge als Entscheidungsgrundlage im Rahmen von Fördermittelvergaben herangezogen. Ein wesentliches Problem ist, dass Sportarten und Sportdisziplinen ungeachtet ihrer Heterogenität miteinander verglichen werden.

Mannschaftsspielsportarten unterliegen anderen Voraussetzungen, die nicht miteinander ins Verhältnis gesetzt werden können. Die Leichtathletik- sowie die Basketball-WM haben hier jüngst gezeigt, wie eklatant die Realität von der Prognose abweichen kann. Daher freue ich mich, dass sowohl das Bundesinnenministerium als auch der DOSB erkannt haben, dass im Zuge der Leistungssportreform auch PotAS neu gedacht wird. Grundsätzlich muss bei der Neustrukturierung des Leistungssports und der Leistungssportförderung das Thema „Leistung“ und „Erfolg“ wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, was wir darunter verstehen, ebenso müssen wir uns Gedanken darüber machen, welche Rolle der DOSB übernimmt, wenn die „Sportagentur“ im Rahmen der Neustrukturierung der Leistungssportförderung aufgestellt ist. Man sieht, es sind noch viele wichtige Fragen offen und es gibt einiges zu tun.

Herr Weiss, vielen Dank für diese Einordnungen. Zum Abschluss wollen wir Sie, als einen der fünf Verbandspräsidenten, die im Rahmen der Interessengemeinschaft Teamsport Deutschland an Initiative deutscher Mannschaftssportverbände einem politischen Strang ziehen, fragen: Warum braucht Deutschland diese politische Allianz der Mannschaftssportverbände?

Die fünf Verbände sind die größten Mannschaftssportverbände Deutschlands und erreichen einen immensen Anteil der Gesellschaft: Sowohl Fans des  Spitzensports als auch Menschen jeglicher Altersgruppen, die im Breitensport aktiv werden. Neben ihrer Reichweite teilen die Verbände und ihre
Sportarten einige Gemeinsamkeiten und Bedürfnisse: Angefangen von adäquaten Rahmenbedingungen für ihre Sportvereine, über eine intakte Sportstätteninfrastruktur im Land bis hin zur Förderung des Leistungssportes – um eine Auswahl zu nennen. Für den DBB schien es daher sehr
sinnvoll, die Kräfte mit den anderen vier (Profi)Mannschaftssportverbänden zu bündeln. Teamsport Deutschland dient hierbei nicht nur als Sprachrohr fünfer (Profi)Sportverbände – sondern auch für breite Teile der Gesellschaft, die in diesen fünf Sportarten aktiv sind und sich gemeinnützig engagieren.