Bessere Rahmenbedingungen, mehr Professionalität, mehr Fernsehpräsenz, mehr Frauen in Führungspositionen: Die fünf großen deutschen Teamsportarten wollen in den nächsten fünf Jahren verstärkt den Frauensport entwickeln. Teamsport Deutschland, die 2018 gegründete Interessenvertretung der Mannschaftssportverbände, hat sich eine intensive Förderung des Frauensports auf die Fahnen geschrieben. Der Startschuss dafür war die „Frauen-Teamsportkonferenz“, die in der Vertretung des Saarlands in Berlin stattfand. Neben zahlreichen Vertretern von Deutschem Basketball Bund (DBB), Deutschem Fußballbund, Deutschem Handballbund, Deutschem Eishockey-Bund und Deutschem Volleyball-Verband war auch die Politik präsent – denn am Ende geht es auch um staatliche Fördergelder. Der DBB war mit Präsident Ingo Weiss, Generalsekretär Wolfgang Brenscheidt, Geschäftsführer Heinz Schoenwolf und Leistungssportreferentin Susann Drechsel vertreten.

„Diese erste Konferenz für den Frauenteamsport war ein großer Erfolg. Das gilt sowohl für die Resonanz aus Sport und Politik sowie die hohe Qualität der Beiträge“, sagte Andreas Michelmann, Sprecher von Teamsport Deutschland und Präsident des Deutschen Handballbundes. Vor allem bei den für den Sport zuständigen politischen Gästen, unter anderem Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium des Inneren, und Reinhold Jost, Sportminister des gastgebenden Saarlands, sowie den zahlreich anwesenden Abgeordneten des Deutschen Bundestages, fanden die Themen Gehör.

Zu wenig Aufmerksamkeit für Frauen-Mannschaftssportarten

Bundesfamilienministerin Lisa Paus meinte in ihrem Grußwort, dass Frauen-Mannschaftssportarten immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. „90 Prozent der TV-Berichterstattung ist Männer-Teamsport. Die Gleichberechtigung der Frauen im Sport ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich forderte im Interview mit Moderatorin Anett Sattler mehr Frauen in Führungspositionen in Vereinen und Verbänden, im DFB gibt es dafür schon spezielle Förderprogramme. Ziel ist, dass bis Leadership und Professionalisierung

In vielen Vorträgen und Diskussionsrunden ging es um die Überbegriffe Leadership und Professionalisierung im Frauen-Mannschaftsport. Am Beispiel des Frauen-Fußballklubs Viktoria Berlin mit Katharina Kurz oder des schwedischen Sports generell (vertreten durch Annika Grälls) wurden positive Entwicklungen präsentiert und ein Perspektivwechsel angeregt. Auf der Agenda standen Themen, wie sich die Ligen und Klubs der fünf Verbände künftig aufstellen müssen, um professioneller zu werden, oder wie Großveranstaltungen wie Welt- und Europameisterschaften, den Frauensport voranbringen können. Aber auch die generelle öffentliche Wahrnehmung und die künftige Förderung von Frauen-Teamsport wurden thematisiert.

 

Idee der Frauensportkonferenz

Als Sprecher von Teamsport Deutschland erläuterte DHB-Präsident Andreas Michelmann, wie es zur Frauen-Teamsportkonferenz kam: „Fast zeitgleich haben die fünf Mitgliedsverbände von Teamsport Deutschland beschlossen, sich dem Thema Frauensport intensiver zu widmen. Daraus kam die Idee
dieser Frauensportkonferenz. Alle haben erkannt, dass wir im Frauen-Leistungssport andere Wege gehen müssen als bei den Männern. Das ist unsere erste große gemeinsame Veranstaltung und neben dem Austausch auf verschiedenen Ebenen soll sie auch der Startschuss für viele Projekte und Initiativen sein. Zudem wollen wir mit dieser Konferenz das Thema Frauensport in der Öffentlichkeit in den Fokus rücken“.

Konkret geht es ihm und seinen Mitstreitern vor allem um die finanzielle Ausstattung des Frauen-Teamsports: „Wir müssen in Zukunft die Bedingungen schaffen, dass Frauen ähnliche Leistungen bringen können wie Männer. Mit Ausnahme des Fußballs fehlen den Klubs in den übrigen Verbänden einfach die finanziellen Mittel für Vollprofitum. Es kann nicht sein, dass Leistungssportlerinnen mit Zweitund Drittjobs ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.“ Dabei setzt Michelmann sowohl auf die Unterstützung der Politik als auch des DOSB: „Wir müssen Talente wie in Einzelsportarten individuell besser fördern, damit unsere Mannschaften nachher zur Weltklasse gehören.“

Um den Frauen-Leistungssport in den öffentlichen Fokus zu rücken, sieht Michelmann speziell den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefordert: „Das gehört zu seinem öffentlichen Auftrag. Mit mehr TV-Präsenz gerade in den öffentlich-rechtlichen Programmen erreichen wir mehr Öffentlichkeit. Der Frauenfußball und seine Entwicklung sind dafür ein perfektes Beispiel.“

Ein besonderes Anliegen von Michelmann ist die Unterstützung von Müttern im Leistungssport. „Dieses Thema, wie junge Mütter Leistungssport betreiben können, müssen wir intensiver angehen, zum Beispiel, was die Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder betrifft“, sagte Michelmann am Beispiel von DHB-Nationaltorhüterin Dinah Eckerle, die wenige Monate nach der Geburt ihres Kindes aus diesem Grund auf eine WM-Teilnahme im Dezember verzichtet.

Gesellschaftliche Verantwortung für den Frauensport

„Wir müssen die gesellschaftliche Verantwortung für den Frauensport in die Köpfe der Menschen bekommen. Aber es geht auch generell um die operativen Maßnahmen, wie der Frauensport weiterentwickelt werden kann – wie eine zielgenaue Förderung, die Professionalisierung der Vereine und eine höhere Medienpräsenz“, ergänzte Mark Schober, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Handballbunds. Für DHB-Sportvorstand Axel Kromer waren die Beschlüsse beim DHB-Bundestag 2021 wegweisend: „Die Reform der Frauen-Bundesliga, die Professionalisierung der Klubs und neuen Nachwuchsleistungszentren werden den deutschen Spitzenfrauenhandball nach vorne bringen.“ Daher sei es auch selbstverständlich, dass im Jahrzehnt des Handballs mit der WM 2025 auch ein Frauenturnier sei: „Mit einer stärkeren Liga und einen Großturnier wollen wir das öffentliche und mediale
Interesse an Frauenhandball deutlich vergrößern und gleichzeitig für einen Schub bei den Mitgliedern sorgen.

Gerade im weiblichen Nachwuchsbereich gibt es laut Kromer eine große Lücke im Vergleich zum männlichen, was die Rahmenbedingungen, aber auch die finanzielle Ausstattung betrifft, weil die Klubs nicht die Mittel haben wie bei den Männern. „Das hängt mit den geringeren Sponsoreneinnahmen zusammen, und die hängen auch an der geringeren Medienpräsenz. Diese Lücke gilt es zu schließen, auch mit Fördermitteln“, meinte Kromer, und: „Frauen sollen Vorbilder für Frauen und Männer werden.“ Rund 38 Prozent der DHB-Mitglieder sind weiblich, in Schweden sind es zum Beispiel 51 Prozent.

Zum Abschluss der Konferenz in Berlin folgte der Parlamentarische Abend von Teamsport Deutschland. Hier fassten Profisportlerin und TV-Expertin Almuth Schult, Generalsekretär des Deutschen Eishockey-Bundes Claus Gröbner sowie Abteilungsleiter Sport des Bundesinnenministeriums Dr. Steffen Rülke die Schlüsselaussagen und Erkenntnisse der vorangegangenen Konferenz nochmals im Rahmen einer Diskussionsrunde zusammen, bevor auch beim anschließenden Austausch mit den Vertretern aus der Politik das Thema Frauensport ganz oben auf der Agenda stand.
(BP)