Kaum eine Mannschaft hat den europäischen Basketball im letzten Jahrzehnt so sehr geprägt wie die Spanier. Was die gerne zitierte „goldene Generation“ erreicht hat, liest sich bemerkenswert: Weltmeister 2006, Silbermedaillengewinner bei Olympia 2008, Europameister 2009 und 2011 und Silbermedaillengewinner bei Olympia 2012.

Und doch: die Iberer kommen mit Wut im Bauch nach Berlin. 2013 verloren sie in einem hochintensiven und spannenden EM-Halbfinale mit 72:75 gegen Frankreich; an jenes Team mussten sie auch wenige Tage später ihren Europameistertitel abgeben. Nichts war es also mit einem historischen „Threepeat“ – dem Titelgewinn drei Mal hintereinander. Dass die Mannschaft des damaligen spanischen Cheftrainers Juan Orenga im Spiel um Platz drei die Bronzemedaille sicherte, ging fast schon unter in der tiefen Trauer der spanischen Basketball-Fans.

Doch es sollte noch schlimmer kommen für die Basketball-Nation: die Weltmeisterschaft 2014 im eigenen Land sollte eigentlich zur Wiedergutmachung für die EuroBasket 2013 dienen. Und die Vorzeichen schienen mitzuspielen: erneut traf man auf die französische Nationalmannschaft, nun aber in Madrid vor ausverkaufter Halle im Viertelfinale. Doch der 10. September 2014 (übrigens genau ein Jahr, bevor die DBB-Auswahl gegen Spanien in Berlin antritt) wurde zum schwarzen Tag für Spaniens Basketballer. Erneut konnte sich Frankreich durchsetzen; die deutliche 52:65-Niederlage bedeutete das Ende für alle spanischen Medaillen- und Titelträume.

Nun wollen die stolzen Spanier zurückschlagen und zunächst den Europameister-Titel erneut erobern. Wie genau die spanische Equipe aussehen wird, die im September in Berlin das Unternehmen Titelzurückeroberung startet, ist noch offen. Klar ist aber schon jetzt: kaum ein europäisches Land kann auf so viele NBA-Stars zurückgreifen wie die Iberer. Bei der WM im vergangenen Jahr spielten sechs Akteure des spanischen Teams in der NBA, die anderen sechs in der nicht minder schlechten spanischen Liga ACB. Ob die Veteranen Pau Gasol (Foto oben links), Felipe Reyes und Juan Carlos Navarro (alle Jahrgang 1980) in Berlin auflaufen werden, steht noch nicht fest, Jose Calderon (34) hat bereits abgesagt. Die junge Generation um NBA-Stars Marc Gasol (Foto oben rechts, 31, Memphis Grizzlies), Serge Ibaka (26, Oaklahoma City Thunder), Ricky Rubio (25, Minnesota Timerberwolves) und Victor Claver (Portland Trail Blazers) ist jedoch gleichermaßen erfahren und heiß. Und auch mit Rudy Fernandez (Foto rechts, 30, Real Madrid) muss man immer (noch) rechnen.

FernandezRudy2014-300Dies gilt auch für den neuen – und alten – Chef auf der spanischen Bank: Sergio Scariolo. Bereits von 2009 bis 2012 war der gebürtige Italiener für die Spanier verantwortlich – und somit auch für einige Titel und Medaillen. Die Rückholaktion zeigt, wie ernst die Iberer das Unternehmen Titelverteidigung nehmen. Und wenn man bei dem alten, neuen Chef genau hinhört, merkt man schnell, wohin die Reise gehen soll. „Wir wollen unsere Präsenz bei den Olympischen Spielen sicherstellen. Das ist das Größte für jeden Spieler. Wir nehmen diese Herausforderung an, wissen aber, wie viel dazu gehört. Aber wir wissen auch, dass es große Länder gibt, die dort seit Jahren nicht teilgenommen haben.“

Große Länder sind in Berlin zweifelsohne zu Gast. Mit Serbien, der Türkei, Italien, Island und zuletzt Deutschland haben die Spanier einige harte Brocken vor der Brust, was auch Scariolo nicht unterschätzt. „Wir beginnen gegen den Vizeweltmeister, der in Topform sein wird, denn er beginnt seine Vorbereitung als Erster. Für uns reicht es nicht aus, in die nächste Runde einzuziehen. Wir müssen mental sehr stark sein. Es gibt fünf Mannschaften, die eigentlich einen Platz in der nächsten Runde haben sollten … eine davon wird nicht glücklich sein.“

Angesichts des zu erwartenden starken Kaders kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ausgerechnet die Spanier am Ende unglücklich zurückreisen und nicht in Lille um Medaillen kämpfen werden. Doch Spanien ist demütiger geworden und weist die Favoritenrolle zunächst von sich. So richtig glauben mag man den so stolzen Iberern diese Wandlung jedoch nicht. Wenn die von Sergio Scariolo verordnete neue Denk- und Darstellungsweise jedoch von Erfolg gekrönt ist, hat er alles richtig gemacht.