Man muss nicht lange um den heißen Brei reden: Island ist der Außenseiter in der bärenstark besetzten EuroBasket Vorrunden-Gruppe die im September in Berlin zu Gast sein wird. Doch wer nun ein demütiges Team erwartet, das von vorne herein kapituliert, der irrt. Islands Cheftrainer Craig Pedersen beschreibt seine Mannschaft als sehr harmonisch und hervorragend aufeinander abgestimmt; seit mehr als 13 Jahren spielt der Kern von sechs Spielern gemeinsam im Nationalteam. Auch die neuen Spieler, so der kanadische Trainer, passten perfekt in das harmonische Gefüge und bilden so eine schlagkräftige Einheit.

Insbesondere zwei Spieler sollten sich die Fans in der Berliner Mercedes-Benz Arena genauer anschauen: Jón Arnór Stefansson (Foto oben), der Sportler des Jahres in Island 2014, der aktuell in Spanien für Málaga auf Korbjagd geht und Hördur Axel Vilhjalmsson (Foto unten rechts), der für den Mitteldeutschen BC spielt. Stefansson ist sogar ein alter Bekannter von Dirk Nowitzki, der unlängst seine Teilnahme bei der Europameisterschaft angekündigt hat. Von 2003-2004 spielte der Shooting Guard für die Dallas Mavericks in der NBA; nach nur sporadischen Einsätzen zog es ihn aber über Italien nach Spanien in die ACB. Aufbauspieler Vilhjalmsson fühlt sich in Deutschland, genauer gesagt beim MBC zu Hause: nach einer starken Beko BBL-Saison mit durchschnittlich gut zehn Punkten und knapp drei Assists im Schnitt will der 26-Jährige sein Heimatland nun in Berlin bestmöglich vertreten.

Damit dies gelingen kann, setzt das kleine Land im Norden Europas alle Hebel in Bewegung. Rund 800 Fans werden in Berlin erwartet – eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass das gesamte Land insgesamt nur 330.000 Einwohner hat. Die deutsche Hauptstadt Berlin, nebenbei bemerkt, hat 3,3 Millionen Einwohner…

Sie alle, Fans, Spieler und Trainer freuen sich auf tolle Spiele in Berlin. Coach Pedersen sagt: „Für ein Land wie Island ist es ein sehr großer Erfolg, sich qualifiziert zu haben, dabei zu sein. Wir freuen uns auf jedes einzelne Spiel!“ Selbstverständlich haben die anderen Mannschaften wie Serbien, Spanien, Italien, die Türkei und Deutschland die Favoritenrolle für den Kanadier. Doch er stellt auch klar: „Meine Spieler sind vielleicht etwas kleiner, aber sie haben gelernt, dass sie hart kämpfen müssen, um dies zu kompensieren.“ Außerdem erklärt Pedersen mit einem Schmunzeln: „Wir sind Island, da ist es nun mal nicht verwunderlich, dass man gegen größere Namen spielt. Jeder, wirklich jeder im isländischen Basketball freut sich auf die Herausforderung und will sich mit den Besten messen!“

VilhjalmssonHördurAxel-230Das klingt schon etwas kämpferischer und sicherlich hofft Island darauf, von dem einen oder anderen Favoriten unterschätzt zu werden und so einen Überraschungs-Coup zu landen. Gegen welche Mannschaft so etwas am ehesten möglich wäre? Pedersen hält sich bedeckt, sagt lediglich: „Nun, Spanien und Serbien waren in der Vergangenheit nicht nur in Europa stark, sondern auch bei der Weltmeisterschaft. Doch wenn alle Mannschaften ihre Starspieler an Board haben…dann kann jeder jeden schlagen; es entscheidet dann wohl nur die Tagesform.“

Schon in der Qualifikationsrunde zur EuroBasket 2015 waren die Isländer nicht als Favoriten gestartet – hatten sie doch mit Bosnien-Herzegowina und Großbritannien zwei starke Mannschaften in der Gruppe, bei der vor allem Letztere schlechte Erinnerungen bei den deutschen Basketball-Fans hervorrufen. Island aber bezwang die Briten gleich zwei Mal und sicherte sich so den begehrten Platz bei der EM. Bereits damit schrieben sie Geschichte, denn noch nie zuvor war es Island gelungen, bei der kontinentalen Endrunde teilzunehmen.

Man darf gespannt sein auf die Isländer, die sicherlich mit viel Herz und Kampf spielen werden und sich – auch vor ihren eigenen Fans – hervorragend verkaufen wollen. Vielleicht gelingt ihnen ein sogenannter Lucky Punch – ein Überraschungserfolg gegen einen Großen. Zu gönnen wäre es dem sympathischen Team aus dem kleinen Land im Norden Europas.