Noch vor den abschließenden PfT-Turnieren hat sich Fabian Villmeter, Bundestrainer der U16-Jungen, mit dem Format „Bio-Banding“ näher beschäftigt, das in diesem Jahr Einzug in die Gestaltung des Projektes „Talente für Perspektiven“ (PfT) gefunden hat und auch beim Bundesjugendlager – dann für Mädchen und Jungen – zur Anwendung kommt. Die am PfT teilnehmenden 150 Spieler des Jahrgangs 2008 wurden im Bio-Banding Format begutachtet. „Bio-was?“ wird sich mancher fragen… – In einem kurzen Interview sind wir dem Thema etwas näher auf den Grund gegangen:

Bio-Banding – was bedeutet das?
Zusätzlich zu den Spielen der Landesverbände untereinander im 5-5, haben wir alle Teilnehmer anhand ihres „biologischen Alters“ in LV-übergreifende Gruppen und Teams sortiert und sie in einem 3×3-Turnier gegeneinander spielen lassen.

Warum ist das so wichtig?
Gerade Kinder im Alter zwischen 13 und 15 können bis zu zwei Jahre der durchschnittlichen Entwicklung ihres kalendarischen Alters voraus oder hinterher sein. Das bedeutet, dass sich in ein und demselben Geburtsjahrgang Spieler tummeln, die Entwicklungs-technisch bis zu vier Jahre von einander entfernt sein können. Wir erleben auf der ganzen Welt, dass in Spielsportarten die Talente einen Nachteil haben, die in ihrer Entwicklung etwas verspätet sind, mitunter aber genauso oder noch talentierter sind als mancher Frühentwickler. Deshalb ist es für uns so wichtig, die Spieler mit und gegen andere zu sehen, die in etwa den gleichen biologischen Entwicklungsstand haben.

Was ist das Ziel dabei?
Dem „System Basketball“ und in unserem Fall den (Jugend-)Nationalmannschaften soll kein Talent verloren gehen. Das passiert aber regelmäßig, wenn wir Talente nur im 5gegen5-Basketball betrachten, denn dort dominieren in der Regel die Spieler, die frühentwickelt sind und schon deutliche körperliche Vorteile besitzen. Da es uns aber darum geht, dass künftig die Talente gefördert werden, die im Erwachsenenalter die besten Spieler sein werden, muss man seine Talentbeurteilung auf verschiedene Beobachtungen stützen. Das Bio-Banding spielt deshalb dabei eine große Rolle, weil hier die individuelle Spielfähigkeit viel besser zur Entfaltung kommen kann, wenn jemand gegen biologisch Gleichaltrige spielt. Zudem ermöglicht die Spielform im 3×3-Format eine viel höhere Anzahl von Aktionen, Ballkontakten, Entscheidungen und Abschlüssen, als das 5gegen5.

Welche Maßnahmen spielen in der Talentprognose außerdem eine wichtige Rolle?
Um die Spieler nach wissenschaftlichen Kriterien in Cluster ihres tatsächlichen biologischen Alters einzuteilen, brauchen wir bestimmte Daten, die wir am ersten Tag der PfT-Veranstaltungen eingeholt haben: Körpergröße, Sitzhöhe, Gewicht, die Größe der Eltern kann auch noch eine Rolle spielen, Armspannweite, sind Attribute, die wir von jedem Talent erheben und die uns helfen, das biologische Alter festzulegen. Hier können wir auch bereits eine erste Prognose wagen, was die spätere Körpergröße im Erwachsenenalter angeht, was ja im Basketball keine ganz unwichtige Rolle spielt. Auch der prognostizierte Zeitpunkt des pubertären Wachstumsschubes ist eine wichtige Info für uns Trainer, denn wir wissen, dass Spieler während dieses Wachstumsschubes besonders verletzungsanfällig sein können. Es kommt also auch dann darauf an, Trainingsinhalte und -intensitäten gewissenhaft zu wählen. Hinzu kommen Tests im Bereich von Sprint und Sprung, denn natürlich spielt auch die Athletik eines Talents für die Sportart Basketball eine große Rolle. Ein Jahr später, beim Bundesjugendlager des Jahrgangs, erfolgen dann zusätzlich noch Tests im Bereich der Koordination und der Kognition. Bis dahin haben die Landesverbände zwei weitere Male in ihren Lehrgängen bestimmte Tests wiederholt, so dass wir möglichst für jedes Talent eine Entwicklung ablesen können.

Dann ist ja jetzt alles ganz einfach! Eigentlich steht schon fest, wer der nächste A-Nationalspieler wird, oder?
Die Verfahren, die wir in den letzten zwei Jahren begonnen haben einzuführen, orientieren sich an den besten der Welt im Bereich der Talentidentifikation, wie zum Beispiel am belgischen Fußball oder dem kanadischen Eishockey. Wir sind überzeugt davon, dass diese Maßnahmen unsere Talentsichtung auf ein neues Level heben wird. Letztlich werden wir das auch immer wieder evaluieren, – belastbare Ergebnisse werden wir aber erst in fünf bis zehn Jahren haben. Trotzdem bleibt natürlich immer noch so etwas wie der X-Faktor, der sich wissenschaftlich nicht so einfach erfassen lässt: Welcher Spieler hat den Willen und Ehrgeiz ganz oben anzukommen, wer entwickelt sich in bestimmten Bereichen wie gut, wer bleibt vor größeren Verletzungen verschont und wer hat letztlich auch ein bißchen Glück und ist zur rechten Zeit am der richtigen Stelle?
Es bleibt also immer wieder spannend, die Talente auf ihrem Weg zu beobachten, nicht zuletzt auch bei uns in den Jugend-Nationalmannschaften. Aber das Ziel ist klar, – wir müssen möglichst viele unserer Talente im Alter zwischen 13 und 15 als solche identifizieren und sie entsprechend fördern, nur dann haben wir auch eine Chance, uns in der Spitze zu verbessern, ohne dies völlig dem Zufall zu überlassen.