Marie Gülich steht kurz vor ihrem ersten offiziellen WNBA-Spiel für ihren neuen Klub Phoenix Mercury. Morgen Abend soll es so weit sein, vor eigenem Publikum geht es gegen die Dallas Wings. Zuvor hat uns die deutsche Centerin, die in Phoenix gerade aus dem Hotel in ein Appartement gezogen ist, ausführlich Rede und Antwort gestanden. Das Interview präsentieren wir heute und morgen in zwei Teilen.

Marie, du bist nach Marlies Askamp (1997-2002 – Anm. d. Red.) und Linda Fröhlich (2002-2007, Anm. d. Red.) erst die dritte Deutsche (hier müssen wir uns korrigieren – Martina Weber machte in der Saison 2007 zwei Spiele für die New York Liberty – Anm. d. Red), die es in die WNBA geschafft hat. Sogar die erste, die in der ersten Runde gedraftet wurde. Wie stolz macht dich das?

Natürlich habe ich mich riesig gefreut, in der ersten Runde gedrafted zu werden. Zu Beginn meiner Collegezeit habe ich es mir nicht vorstellen können, dass ich jemals gedrafted werde. Umso cooler, dass es dann auch noch die erste Runde war. Zunächst war das alles etwas unrealistisch für mich. Es war ein supertolles Erlebnis.

Ist es schon seit längerer Zeit dein Traum gewesen, mal in der WNBA zu spielen, oder hast du auf dem College immer eher von Jahr zu Jahr gedacht?

Im College habe ich immer nur an die nächste Saison gedacht. Natürlich denkt man mal darüber nach, aber meine ersten drei College-Jahre waren jetzt nicht so überragend. Mein erstes Jahr musste ich mich an viele Sachen gewöhnen, mein zweites Jahr war auch noch etwas gewöhnungsbedürftig. Zwar habe ich da so langsam meine Rolle gefunden, aber es lief noch nicht alles so gut für mich. Ich musste mich wirklich an das Level gewöhnen und war konzentriert darauf eine bessere Basketballspielerin zu werden. Im dritten Jahr wurde es viel besser und mein letztes Jahr hat mir die Möglichkeit gebracht, jetzt hier in Phoenix zu sein und zu zeigen, dass ich gut Basketball spielen kann. Es hat sich von Jahr zu Jahr entwickelt, aber ich habe mir nicht im ersten Jahr vorgenommen, dass ich auf jeden Fall mal in der WNBA spielen werde. Schon als ich angefangen habe Basketball zu spielen, habe ich mir immer kurzfristige Ziele gesetzt und nie weit nach vorne geschaut. Motivationsmäßig bringt mir das mehr, wenn ich in der Gegenwart bleibe, hart arbeite und gucke, wo es hinführt, statt mir zu hohe Ziele zu setzen.

Du bist ja sicher mit bestimmten Vorstellungen ins Trainingscamp gegangen. Wie war der Auftakt und war es so, wie du erwartet hast?

Ich hatte einfach das Ziel hart zu arbeiten. Ich habe vor dem Trainingslager viel 1-1 gespielt mit Jungs, die bei uns an der Uni Basketball spielen, um mich fit zu halten. Dann habe ich noch individuelle Workouts gemacht. Mit meinem Assistant Coach haben wir an ein paar Sachen gearbeitet, um eine Idee dafür zu bekommen. Im Prinzip habe ich mir einfach nur vorgenommen mein Bestes zu geben und eine gute Einstellung zu haben, ein gutes Teammate zu sein, Fragen zu stellen, nicht schüchtern zu sein, einfach ich selbst zu sein. Als ich angekommen bin, war ich schon etwas eingeschüchtert. Wenn man plötzlich mit Diana Taurasi (WNBA all time leading scorer – Anm. d. Red.) auf dem Spielfeld steht und sich so denkt: Wow, erst einmal tief Luft holen! Aber sie war super unterstützend. Wenn man dann so die ersten zehn Minuten vom Training überstanden hat, die Nervosität weg ist und man einfach nur an Basketball denkt und Spaß hat, dann läuft auch alles besser. Ich glaube auch, dass es gut für mich ist, hier alles erst einmal aufzusaugen und die ganzen Informationen zu sammeln. Die Leute merken, dass ich an mir arbeite und dass ich besser werden und dem Team helfen will. Da geht es nur darum, dass man sich gut präsentiert und bis jetzt habe ich mich ganz gut durchsetzen können.

Kanntest du vorher schon Spielerinnen oder den Headcoach (Sandra Brondello – Anm. d. Red.) persönlich?

Persönlich kannte ich noch gar keinen vom Team. Sandy hat ja ganz lange in Deutschland gespielt, in Wuppertal, damals als sie noch in der Euroleague waren und die Meisterschaften geholt haben. Ihr Mann Olaf Lange ist hier als Individual Skills Development Coach, das ist cool ihn hier zu haben. Mit ihm arbeite ich momentan ziemlich viel, da fühle ich mich direkt ein bisschen zuhause. Alle hier sind super herzlich und nett und ich habe mich hier sofort wohl gefühlt.

Die Testspiele vor dem offiziellen WNBA-Start am 18. Mai liefen gut für dich. Bist du zufrieden?

Zufrieden? Für mich ist es ein bisschen schwer zu sagen, dass ich zufrieden bin. Ich bin schon ziemlich zielstrebig und eine Perfektionistin und die Spiele waren nicht perfekt. Klar, es sind Preseason-Spiele und man muss noch viel arbeiten, die Teamchemie ist noch nicht so richtig da. Meine Leistung im ersten Spiel mit den zehn Punkten hat mich erleichtert. Es hat mir das Gefühl gegeben: Ok, ich gehöre hierhin! Ich habe das Potenzial hier reinzuwachsen und eine gute Spielerin zu werden. Ich weiß, dass ich noch an ganz vielen Sachen arbeiten muss und dass wir als Team generell noch mehr zusammen wachsen müssen. Nach dem zweiten Spiel war ich nicht so zufrieden mit meiner Leistung. Ich glaube, ich hätte nach zehn Trainingstagen ein paar Sachen besser machen können. Besonders von meiner Defense hätte ich mir etwas mehr erhofft. Das ist alles ein Prozess und ich muss ein bisschen geduldig sein. Natürlich muss man sich an das neue Level gewöhnen, daher will ich nicht zu hart über mich selbst urteilen.

Wie ist das Verfahren in der WNBA: Wird zu Beginn der Saison ein fester Kader bestimmt oder kann man ohne große Begründung ständig „rein und raus“?

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie das funktioniert. Ich weiß, dass das feste Team vor dem ersten offiziellen Spiel auf der Website freigegeben werden muss. Ich weiß aber nicht, wie das während der Saison läuft, ob man Spieler releasen kann oder solche Sachen. Da will ich keine falschen Aussagen treffen. Am 17. Mai wird das Team festgelegt.

Hast du schon eine Rückmeldung, ob du es in den Kader schaffst? Wie wird deine Rolle aussehen?

Ich habe ein wirklich gutes Gefühl, dass ich es ins Team schaffen werde. Ich möchte das jetzt natürlich noch nicht hundertprozentig sagen, da kann immer noch etwas dazwischenkommen. So wie die Coaches mit mir umgehen und der Verein generell, so wie die mit mir planen, hört sich das schon alles ziemlich positiv an. Ich bin ein Rookie und werde wahrscheinlich hinter Brittney Griner auf der Fünf spielen. Wir haben auf der Vier ziemlich gute Spielerinnen, die momentan einfach besser sind als ich, vor allem in der Defense. Auf der Vier muss ich mich noch etwas mehr eingewöhnen. Ich kann mir vorstellen, dass sie mich auf der Fünf besser gebrauchen können, um Brittney Griner Entlastung zu geben. Ich weiß momentan noch nicht so genau, wie sie mich offensiv einbauen, aber ich glaube sie sehen mich als Scorer und als gute Basketballerin und dass sie in der Zukunft auf mich bauen werden. Aber momentan muss ich mich erst einmal an die Liga und das ganze Drumherum gewöhnen. Ich muss mich selbst noch beweisen und zeigen, was ich kann. Die Saison ist wegen der Weltmeisterschaft ein bisschen zusammen gequetscht, wir haben ziemlich viele Spiele pro Woche. Da wird es hart sein, 40 Minuten pro Spiel zu spielen, da wird es schon hilfreich sein, wenn ich da bin und ihr ein bisschen aushelfen kann.

Kannst du für dich persönlich die Situation beim Start ins College mit der jetzigen Situation vergleichen?

Ein bisschen auf jeden Fall. Man kommt hier hin und hat die ganzen älteren Spielerinnen vor sich, die wissen, wie der Hase läuft. Mein Vorteil jetzt ist, dass ich weiß, wie ich mich vorbereiten kann, dass ich weiß, wie ich damit umgehe und dass mir das nicht mein Selbstbewusstsein raubt. Diesem Prozess muss ich einfach vertrauen. Mental und körperlich bin ich jetzt besser vorbereitet und kann mich besser selbst unterstützen in diesem ganzen neuen Ablauf von den Spielen und vom Training. Ich werde besser und schneller zurechtkommen als bei meinem ersten Start im College.

Du hast jetzt ein paar Tage Trainingslager hinter dir. Hast du gemerkt, woran du am ehesten noch arbeiten musst?

Definitiv, vor allem an der Schnelligkeit, hier ist das ganze Spiel doch noch einmal schneller als am College. Einfach die Art und Weise, wie von den Spielerinnen Entscheidungen getroffen werden, das ist alles ein bisschen schneller. In der Offense muss man schneller arbeiten, schneller Pässe sehen, alles schneller registrieren. In der Defense muss man natürlich auch schneller reagieren und manchmal bin ich da noch eine Sekunde hinterher und das gibt einen negativen Ruck im Rhythmus der Defense. Wenn man als Team verteidigt und eine zu spät ist, dann sind alle zu spät und da gibt es noch ein paar Sachen, die ich mir wirklich erarbeiten muss. Das kommt mit der Erfahrung und mit der Gelegenheit sich an das Tempo zu gewöhnen. Das braucht sicher seine Zeit, da muss ich einfach geduldig sein und mein Spiel weiter entwickeln. Mein Post-Spiel ist ziemlich gut momentan, aber ich muss von außen besser werden, meinen Wurf besser machen, damit ich auch Dreier werfen kann. Mein erster Schritt zum Korb muss explosiver werden. Es gibt also ziemlich viele Sachen, an denen ich noch weiter arbeiten möchte. Wenn ich mich auf eine Sache fokussieren würde, dann definitiv auf Defense, unsere Rotationen zu verstehen und solche Dinge.

Morgen folgt Teil zwei des Interviews